Systemische Beratung

Was ist Systemische Beratung?

Was charakterisiert ein System?

System Charakteristika

  • Ein System besteht aus mehreren voneinander abhängigen Elementen.
  • Die Elemente weisen bestimmte Beziehungen zueinander auf und sind miteinander vernetzt.
  • Es besteht eine Systemgrenze nach außen.
  • Das System erfüllt einen bestimmten Zweck bzw. weist eine Zielgerichtetheit auf.
  • Es weist ein zeitliches Entwicklungsverhalten auf.
  • Eine Veränderung tritt ein, wenn Teile entfernt oder hinzugefügt werden => Chaos
  • Ein System besitzt eine hervortretende Eigenschaft, welche nicht in ihren Teilen enthalten ist. Ein zerlegtes System verliert diese Eigenschaft.

„Es gibt keine Systeme!“  You can´t kiss a system!

  • Wir können uns zahllose Systeme ausdenken (konstruieren) – sie müssen nur sinnvoll sein!
  • Unsere Definition muss es ermöglichen zu arbeiten; ansonsten müssen wir unsere Sichtweise verändern (Systemgrenzen verändern …)
  • Die Welt durch die Systembrille zu betrachten, ist eine eigene Entscheidung!
  • Wir schaffen uns mit dem Systembegriff eine „Landkarte“ (Orientierung); aber wir dürfen die Landkarte nicht mit der Landschaft verwechseln!

Der Begriff SYSTEM ist wie jeder andere Begriff auch nur eine Konstruktion!

Was ist denn nun ein System und wer gehört zum System???

  • Wir legen selbst für jede neue Situation fest, wer zu einem System gehört und wer nicht!
  • Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“!
  • Ist es für unsere Arbeit hilfreich? Oder sollten wir die Grenzen korrigieren?

Systeme haben Funktionen!

  • Aufrechterhaltung eines stabilen Zustandes z.B. Blutdruck
  • Selbsterhaltung z.B. Biologische Systeme und Organisationen
  • Fortpflanzung und Vermehrung
  • Sicherheit, Schutz
  • Herstellung von „Produkten“
  • Systeme als Dienstleister z.B. Kommunikation
  • Stiftung von „Sinn“

Systeme: Zirkuläres Ursache – Wirkungsprinzip

  • In Systemen können Wirkungen eintreten, deren Ursache wir nicht finden. Die Wirkung kann aus einer Ursache resultieren, die gleichzeitig, manchmal auch zeitverzögert, an anderer Stelle auftritt und wiederum Wirkung einer dritten Ursache ist.
  • IT Projekte, Organisationsentwicklungsprojekte und damit auch Change Prozesse sind von einem hochkomplexen Ursache-Wirkungsprinzip bestimmt.

Systeme werden als dynamisch und komplex bezeichnet, wenn…

  • … sie ein zeitabhängiges Verhalten und
  • … umfassende interne oder externe Wechselwirkungen aufzeigen.

Prinzipien für den Systemerhalt

  • Systeme wollen überleben und schützen ihre Elemente gegen Angriffe von außen. Wird eines ihrer systemerhaltenden Prinzipien massiv verletzt, folgen daher unbewusste Ausgleichsbewegungen mit unkontrollierbaren Wirkungen.

Systemprinzipien sind…

  • Das Prinzip der Würdigung: Was ist, muss sein dürfen
  • Der Ausgleich von Geben und Nehmen
  • Das Recht auf Zugehörigkeit
  • Vorrang des Früheren vor dem Späteren
  • Vorrang des höheren Einsatzes für das Ganze
  • Kompetenzvorrang
  • Vorrang der Überlebensbasis
System

Systemische Beratung ist …

Beratungsprozess

Die Einteilung in Phasen ist „willkürlich“ – sollte jedoch Sinn machen und im Beratungsprozess Orientierung geben.
Bewährt hat sich folgende Struktur:

  1. Orientierungsphase (was bedeutet Beratung, Beziehung, Inhalt, Rahmenbedingungen, Vereinbarungen, …)
  2. Klärungsphase (Problemsituation klären)
  3. Veränderungsphase (Erarbeitung neuer Lösungsoptionen)
  4. Abschlussphase (Ergebnis sichern, Kontrakt schließen)

Denken im System bedeutet Umdenken

  • Die Aussage „ Ich leite ein Projekt“ suggeriert eine Welt von Akteuren, die im Zentrum des Geschehens stehen und auf eine unbelebte Realität einwirken.
  • Aus der Systemperspektive ist der menschliche Akteur ein Teil des Feedbackprozesses und nicht davon getrennt.
  • Dies ist gleichbedeutend mit einem tief greifenden Bewusstseinswandel

Systemisches Arbeiten braucht eine neue Sprache!

  • Die Darstellung unserer Sprache ist von einer linearen Vorstellung durchdrungen. Einfache Aussagen über Kausalität und Verantwortung erscheinen uns vertraut und angenehm und sind für viele Lebenssituationen geeignet.
  • Probleme mit einer dynamischen Komplexität brauchen eine andere Sprache, die die vielfältigen Feedbackprozesse erfasst.

In Geschichten sprechen

  • Ausgangssituation ist ein Element, ein Phänomen, ein Problemstellung, das am wichtigsten erscheint z.B. „Ein unzufriedener Kunde möchte weitere Änderungen“.
  • Wahl von Adjektiven, die die Auf- und Abbewegungen beschreiben, z.B. steigt, sinkt, verbessert, verschlechtert, wächst, schrumpft, zunimmt, abnimmt, in die Höhe schießt, in den Keller fällt, zusammenbricht, …
  • Auswirkung auf das nächste Element: „Er äußert sie gegenüber der Projektleitung.“
  • Geschichte bis zum Ausgangspunkt weiterverfolgen. Z.B. „Der Projektleiter gibt die Änderungswünsche an die Technik.“
  • Keine monotone Beschreibung, sondern eine lebendige Sprache. Ausschmücken mit Anekdoten, Geschichten. Z.B. „Die Techniker, die besonders stolz auf ihr Produkt sind, setzen sorgfältig den Änderungswunsch um.“
  • Gleichzeitigkeit von Schleifen bewusst machen „.. Weitere Kunden melden Änderungswünsche, während Projektleiter sich gleichzeitig wie verrückt bemühen alle umzusetzen.“
  • Zurück zum Ausgangspunkt „Änderung wird an den Kunden geliefert. Er formuliert weitere Änderungswünsche“.
  • Kompensationsprozesse beschreiben z.B. „Die Technik realisiert so viele Änderungswünsche, bis sie überlastet ist.“
  • Und dann….

Systemisches Denken nützt …

  • … bei dynamischen, komplexen oder stark vernetzten Situationen oder Sachverhalten.
  • … Problemsituationen ohne offensichtliche Lösung
  • …wiederkehrenden Problemsituationen.
  • … hochkomplexen und unübersichtlichen Situationen
  • … Situationen mit hoher Eigendynamik
  • … zur Erfindung selbststeuernder und selbstregelnder Maschinen.

Systemische Beratung ist primär Prozessberatung

  • Veränderung sozialer Systeme wird durch Interventionen initiiert (von außerhalb oder innerhalb)
  • Beratung ist eine Intervention – alleine die reine Anwesenheit einer Berater:in löst eine Veränderung aus
  • Experten- vs. Prozessberatung existieren selten in Reinkultur
  • SB stellt die These auf: Kompetenz des Klientensystems übertrifft grundsätzlich die Kompetenz externer Experten! (weil über die Wirkung einer Intervention immer erst das System entscheidet!)
  • …ist demnach primär Prozessberatung – NIE reine Expertenberatung! Wie die Anteile verteilt sind, ist davon abhängig ob ein Klientensystem (Gruppe, Team, Organisation, …) oder ein einzelner Klient beraten wird
  • Berater:in unterstützt bei Situationsklärung, Zielfindung und Lösungserarbeitung
  • Verantwortung für Lösung eines Problems verbleibt jedoch grundsätzlich beim Klienten(system); Prozessverantwortung bleibt beim Berater:in

Viele unserer Berater:innen sind in Systemischer Beratung ausgebildet! Sie wenden die Prinzipien in ihrer Arbeit (im Coaching, Projektmanagement, OrganisationsentwicklungChangemanagement … konsequent an! 

Grundhaltung der Beratenden

weichen Faktoren

Systeme ändern sich nicht durch Beratung!

  • Änderungen werden initiiert durch Ereignisse (Geburt, Hochzeiten, Krankheit, Veränderung der Umwelt/Verhältnisse …“
  • Ansatzpunkt: neue Sichtweisen ermöglichen bzw. produzieren, bisherige Perspektive wechseln, neue Informationen schaffen

Fragen zu unterschiedlichen Sichtweisen haben also eine besondere Bedeutung in der Systemischen Beratung! Sie sind besonders ergiebig,

  • wenn sie weniger direkt – stattdessen zirkulär sind
  • mehr Sichtweisen ergründen

Wir schaffen einen geschützten Raum

  • … im dem Gegensätze und Verschiedenheiten möglich und sogar erwünscht sind
  • unterschiedliche Sichtweisen „nebeneinander stehen“
  • Alle Sichtweisen ihre Berechtigung haben und gültig sind
  • die Unterschiede sind wertvoll und interessant; sie beinhalten das Potenzial um daraus lernen zu können

Die Berater:in darf keine Angst haben vor unterschiedlichen Sichtweisen, Disharmonie oder sogar feindseliger Stimmung! Unterschiede werden als Information wahrgenommen und sind die Grundlage für Veränderung.

Zielrichtung Systemischen Denkens & Handelns

„Handle stets so, dass du die Anzahl der Möglichkeiten vergrößerst!“  (Biokybernetiker Heinz von Foerster)

Alles was die Anzahl einschränkt steht systemischem Arbeiten entgegen!

Achtung: potenzieller Konflikt mit regiden /fundamentalistischen Religions- und Moralvorstellungen ist vorprogrammiert

Systemisches Menschenbild nach Schwing/Fryszer:

  • Menschen sind eigensinnig
  • “Der Mensch wird erst im Du zum Ich“ (Martin Buber)
  • Menschen verändern sich ständig
  • Menschen verfügen über unzählige Ressourcen und Potenziale
  • Menschen konstruieren ihre Wahrheiten, Wirklichkeiten, … niemand kann für sich die objektive Wahrheit beanspruchen

Diese hat Konsequenzen für den Beratungsprozess!

 

Rollen der Berater:in

  • Lehrer:in –> Lehren, vermitteln, informieren
  • Berater:in / Consultant –>  anregen, eigene Schlüsse zu ziehen
  • Evaluator –> Rückmeldung zu eigenen Wahrnehmungen & Einschätzung geben
  • Facilitator –> zuhören entlasten & Gefühle klären, Raum für Selbsterkundung schaffen

Sichtweisen statt Fakten!

Berater:innen hören ganz unterschiedliche Geschichten zu den gleichen Ereignissen. Aber was ist richtig? Wer lügt und/oder wer hat Recht …?


Gibt es Objektivität?

  • “Alles Gesagte ist von Jemanden gesagt“!
  • Keine Information ist objektiv!
  • Jede Beobachtung ist untrennbar mit der Wahrnehmung eines Beobachters verbunden
  • Sichtweisen statt Fakten!
  • Es ist nebensächlich „Wer Recht hat“
  • Unterschiede zwischen den Sichtweisen sind von Interesse!

 

Zirkuläres Denken

Ursache Wirkung 1

Zirkuläres Denken berücksichtigt Rückkopplungsschleifen. Also Ursache-Wirkungsketten, die auf sich selbst zurückwirken. Eine Ursache kann sich selbst beeinflussen. Die Grenzen zwischen Ursache und Wirkung beginnen sich zu verwischen. Eine Ursache kann mehrere Wirkungen haben. Rückkopplungsschleifen wirken selbstverstärkend. Ob positiv, negativ oder auch zerstörerisch.

Denken in Verbindungen und Schleifen

Rueckkoppelungsschleife 2
Rückkoppelung im System
aus der Praxis